Spitzenkoch Agron Lleshi vom «Jägerhof» in St. Gallen ist ein Familienmensch. Mit den vier Kindern und Ehefrau Irena bäckt er zu Hause Oster-Cheesecake. Streit gibt es nicht einmal um die Osterhasen.

Feiertage wie Ostern, Auffahrt oder Weihnachten sind bei den Lleshis aus Prinzip Pflichttermine familiärer Gemeinsamkeit. «Das Restaurant ist dann grundsätzlich geschlossen, die Familie geht vor», sagt Agron Lleshi. Als Chef des traditionsreichen «Jägerhofs» in St. Gallen gehört der 37-Jährige zu den besten Köchen der Ostschweiz – 17 Punkte und ein Michelin-Stern sprechen für eine ausgezeichnete Küche. Aber Agron Lleshi ist keiner, der seine Gäste mit Tellern beeindrucken will, die in feinmechanischer Präzisionsarbeit erstellt wurden. «Bei uns gibt es auch ein Wiener Schnitzel, weil das die Leute hier einfach mögen», sagt der sympathische Pragmatiker. An diesem Samstagmorgen ist der Koch, der schon seine Lehre im «Jägerhof» gemacht hat, aber ganz der Familienmensch am Herd. Mit den vier Kindern Louis, 5, Annina, 7, AnnaLea, 10, und Helena, 12, bereitet er einen Cheesecake zu – «den klassischen OsterReiskuchen macht schliesslich jeder», sagt er. Und da hört man dann doch ein wenig den Spitzenkoch, der sich mit seiner Kreativität vom Mittelmass abheben möchte. Daneben geht es aber traditionell zu: «An Karfreitag gibt es immer Fisch und sonntags sicher Lamm», sagt er. Auch das Verstecken von Ostersachen im Garten hinter dem Haus gehört zur Tradition. «Irgendwo liegt sogar noch ein Hase vom letzten Jahr im Gebüsch, der nicht mehr auffindbar war», sagt Lleshi lachend.

Agron Lleshi ist ein hochtalentierter Koch, ein begnadeter Gastgeber und eine Frohnatur, deren gute Laune sich nicht nur aufs Team, sondern auch auf die Gäste überträgt. Und zur guten Laune hat man allen Grund. Der Mittdreissiger feilt nicht nur ständig an seinen Klassikern (Schnitzel, Cordon bleu, Fischknusperli, Trüffel-Kreationen), sondern entwickelt auch seine mediterran inspirierte Küche immer weiter. Mittags gibt es zwei günstige, hervorragende Tagesmenüs und einen erstklassigen Businesslunch, abends das Gourmetmenü (auch vegetarisch) in drei bis acht Gängen.

Vor dem Menü gab’s verführerische Häppchen fast ganz in Grün: ein Limonen-Baiser mit Rucolacreme. Einen Tapioka-Cracker mit Avocado-Praline, Bananengel und Panna-cotta-Perlen. Und einen Basilikumshot mit Apfel und Zitrone. Verspielt war auch das Amuse-bouche, eine faszinierende Kreation aus Kräutermousse auf Spinatbasis mit sauer eingelegtem Gemüse und Sauerampfersorbet. Frühlingshaft leicht kam dann die säuerliche Kräuter-Molken-Suppe mit Kräuteröl, einem Mini-Käseknödel und einem Mini-Bäumchen aus Pumpernickel auf den Tisch. Wir waren schon vom gebackenen Eigelb mit Morchelragout, Erbsen und Vin-jaune-Sauce hin und weg, fürs Highlight des Abends sorgte trotzdem das St. Galler Trüffel-Ei: das Eiweiss wie ein Raviolo mit Pilzfarce und konfiertem Eigelb gefüllt und mit viel gehobeltem Trüffel bestreut. Überraschend und hervorragend auch die sommerliche Kombination von gebratenen Kretzern (Egli) aus dem Bodensee mit einem Dreierlei von der Tomate: konfiertes Tatar, weisser Gelee und eine grüne Essenz mit Basilikum, originell abgerundet mit Mascarpone-Creme und Reis-Crunch.

Der Chef kann auch Pasta perfekt. Die Ravioli füllte er mit gezupftem Pouletschenkel, schwenkte sie in Zwiebeln, Salbei und Butter und garnierte sie mit Röstzwiebeln und Parmesan-Spänen. Im Hauptgang servierte Lleshi ein zartes Lammnierstück an seinem Jus mit grünen Gnocchi, Fenchelsalat und -creme, Pommes soufflées und Senf. Und ein superzartes Rindsfilet mit weissen Spargeln, Kalbsjus und Morchelragout.

Arbeitsintensiv und kreativ war auch der Schluss: Erdbeerragout und -gelee mit Rohmilchglace, Holunderschaum, getrocknetem Milchschaum und einer Hüppe. Sowie dunkle und helle Schoggimousse mit Rhabarbersorbet und -kompott. Den kompetenten Service leitet Sommelier Wilko Bachmann. Seine Weinkarte prunkt mit hervorragenden Crus aus Europa, neu auch mit Romanée-Conti.

Quelle: GaultMillau

STARCHEF
«Koch des Monats»: Agron Lleshi, St. Gallen

Glücksfall für St. Gallen: Agron Lleshi powert im «Jägerhof», begeistert die Gäste. Unser «Koch des Monats».

15. September 2021

TOP-MENÜ UND FIRST CLASS-KLASSIKER. Der Jägerhof ist in St. Gallen ein kulinarischer Hotspot, sein Chef ein blendend gelaunter, mitreissender Gastgeber und aussergewöhnlich talentierter Koch. Voller Power und Ideen, scheut Agron Lleshi keine Mühe, alles selbst frisch zuzubereiten, sei es noch so aufwändig und ausgefallen. Sorgfalt, Geschmack und Können haben ihm viel Sympathie und eine wachsende Fangemeinde eingebracht. Neben einem anspruchsvollen Haute Cuisine-Menu, das auch Vegetarier glücklich macht, setzt er immer wieder First-Class-Klassiker auf die Karte, die enormen Anklang bei den Gästen finden. GaultMillau-Rating: 17 Punkte.

CHÄSCHÜECHLI MIT WIESENKRÄUTERN. Das Gourmetmenü startete mit exzellenten Vegi-Amuse-bouches: Maisfalafel auf Kimchi-Chili-Mayonnaise, Cannelloni mit Pfälzer Rüebli und Erbsen und dem Hausklassiker Trüffeltöpfli. Obendrein wurde als Gruss aus der Küche ein luftiges Chäschüechli mit Wiesenkräutern, Rucolacrème und frittierten Zwiebelringen offeriert. Weiter ging’s mit einer eleganten Interpretation vom griechischen Salat, raffinierten Entenlebersticks mit gerösteten Nüssen und Portweingelée, von Schokolade ummantelt und mit Goldfarbe bemalt, einer köstlichen, erfrischenden Gurkensuppe mit Crevetteneinlage und einer wunderbaren klaren Tomatenessenz mit Artischockentatar und Basilikumsorbet.

TALEGGIO-AGNOLOTTI & VERSPIELTE TAGLIATELLE. Die Zwischengänge wählten wir aus dem Wasser: Kross gebratenen Zander auf mariniertem, rohem Fenchel, Bratkartoffelschaum und Speckwürfelchen sowie kurz sautierte Jakobsmuscheln mit ausgefallenem Stangensellerie-Trio aus Ragout, Crème und Stroh, veredelt mit Rapskörnern, Beurre noisette und Beurre blanc auf Fischfondbasis. Dann kam Pasta auf den Tisch: Zum einen mit Taleggio gefüllte Agnolotti an Spinat, Buchenpilzen und Parmesan, zum anderen verspielte Tagliatelle (mit Blumenmuster im Teig), mit Artischockenwürfeln, Kräutern und Blüemli garniert.

WIENERSCHNITZEL AUS DER KAISERKLASSE! Unsere Freude an Lleshis Kreationen setzte sich beim Dreierlei vom Kalb fort: Filet, Milken und Kalbszunge an Kapernsauce, im Kartoffelring mit Blumenkohlvariation, Kefen und Nüssen serviert. Das Non-Plus-Ultra stellte das unvergleichliche, schwimmend in Butter gebratene, perfekt gewellte Wiener Schnitzel mit Preiselbeeren, Zitronenfilets und Bratkartoffeln dar. Kaiserklasse! Das macht ihm so schnell keiner nach.

TRILEÇ MACHT SÜCHTIG. Zum Dessert wählten wir Rüeblikuchen mit Nougatcrème, Aprikosenglace und eingelegten Aprikosen, absolut überzeugend! Ausserdem eine himmlische Mascarponecrème mit Beeren und Trileç, einen saftigen, albanischen Milchkuchen, der süchtig macht. Die Weinbegleitung passte hervorragend: der Keller enthält erlesene Tropfen, vor allem aus der Schweiz und ihren Nachbarländern. Eine grosse Palette hausgemachter Pralinen zum vollmundigen, starken Kaffee rundete das Gaumenfest ab. Der «Jägerhof» ist ein Glücksfall für die Gallusstadt, neu auch mit Tischen draussen, und das zu Preisen mit Bodenhaftung.

Quelle: GaultMillau

Die Mitglieder der Vereinigung Jeunes Restaurateurs treffen sich alljährlich zur Generalversammlung

DAS SIND DIE NEUEN.

Fünf neue Mitglieder konnten die JRE anwerben. Die Schildübergabe im Juni fiel ins Wasser, deshalb wurden sie an der GV nochmals präsentiert. Drei kommen aus der Romandie, zwei sogar aus dem selben Ort: Joeffrey Fraiche kocht im Restaurant Ô33 in Avenches (15 Punkte), Johann Stauffacher im Restaurant des Bains (14 Punkte), ebenfalls in Avenche. Cyril Freudiger ist der neue Chef der Auberge de Bogis-Bossey in der Nähe von Nyon, seine Bewertung folgt im nächsten Guide GaultMillau 2022. Eine etwas weitere Anfahrt hatten Reto Gadola (Casa Alva in Trin 16 Punkte) und Agron Lleshi (Jägerhof in St. Gallen 17 Punkte). Für den vierfachen Vater ist die Aufnahme zu den JRE eine Ehre. «Das ist fast wie eine weitere Auszeichnung. Silvia Manser hat mich empfohlen und das freut mich sehr. Ich kann mich austauschen und neue Kontakte knüpfen.»

Quelle: GaultMillau

Agron Lleshi vom Jägerhof in St.Gallen auf die Frage, welches für ihn die am meisten überschätzte Zutat ist.

Gourmetinterview
Marcel Baumgartner am 04. August 2021

 Agron Lleshi, wann sind Sie – bezogen auf Ihre Berufswahl – so richtig auf den Geschmack gekommen?

Als Kind habe ich immer meiner Mutter in der Küche geholfen. Das hat mir Spass gemacht, und deshalb hat es für mich nie eine andere Berufswahl gegeben als Koch.

Mein Eindruck ist, dass die gute, regionale und gehobene Küche in den vergangenen Jahren einen richtigen Boom erlebt hat. Liege ich da richtig?

Der Bezug zur Regionalität ist ein Megatrend. Der Jägerhof – das darf man ruhig sagen – war schon unter meiner Vorgängerin Vreni Giger eines der ersten Lokale, das sehr früh auf Regionalität gesetzt hat.

Inzwischen buhlen aber auch in der Ostschweiz einige Spitzenlokale um die Kundschaft. Besteht ein Konkurrenzkampf?

Konkurrenz gab es immer und wird es immer geben. Das ist gut so. Aber in der Spitzengastronomie ist die Luft mitunter dünn, vor allem in Kriesenzeiten. Der Jägerhof hat das Glück, dass er gut in St. Gallen etabliert ist und als Spitzenlokal ohne Sponsor bisher gut durch die Pandemie gekommen ist. Dies auch deshalb, weil mein Vermieter Felix Neidhart dankenswerterweise den Mietzins während Corona ausgesetzt hat.

Womit möchten Sie sich in diesem Umfeld in erster Linie abheben?

Bei uns wird alles sorgfältig und exquisit gekocht. Es ist alles hausgemacht. Wir haben Preise mit Bodenhaftung. Und obwohl der Jägerhof ein gehobenes Gourmetrestaurant ist, ist die Atmosphäre bei uns locker und fröhlich.

Auf welche Kreation aus Ihrer Küche sind Sie besonders stolz?

Eigentlich auf alles. Aber wenn ich wählen müsste z.B unsere hausgemachte Pasta, wie die Taleggioagnolotti, Trüffelnudeln und Schmorbratenravioli. Innereinen und Fischgerichte sind bei uns auch sehr beliebt. Und über allem natürlich auch das Wienerschnitzel.

Welches ist für Sie die am meisten überschätzte Zutat?

Trüffelöl und Safran. Trüffelöl weil es künstlich und penetrant ist – der Feinschmecker schmeckt das. Und Safran weil es so dominant ist.

Wann haben Sie kulinarisch das letzte Mal so richtig gesündigt?

Als mich meine Nachbarin zu Currywürsten und Pommes verdonnert hat. Es war aber sehr fein. Und dann auch jeweils, wenn ich eine Tüte süss-saure Gummibärli vor mir habe.

Und wann haben Sie das letzte Mal etwas richtig versalzen?

Das kommt eigentlich nicht vor.

Genuss-Tipp:Die hausgemachte Pasta, Fischgerichte und natürlich das Wienerschnitzel.

Quelle: DieOstschweiz

GaultMillau 2021:

Agron Lleshi kocht sich zum Liebling der St. Galler Gourmets hoch. Der Turbo-Aufsteiger hat Mut, setzt neben seinem Haute-Cuisine-Repertoire (saisonal, regional, mediterran, viel vegi) auch auf Schweizer Klassiker oder das Beste aus Mutters Küche: Es gibt zum Beispiel Kalbsleberli mit Rösti oder mit Hackfleisch gefüllte, eingelegte Peperoni nach dem Rezept von Mamma Lleshi aus dem Kosovo. Sie bäckt auch die frischen Brötli, packt kräftig mit an und ist der ruhende Pol im jungen, dynamischen Team.

Wir assen uns kreuz und quer durch die Menüs «Aus der Region» und «Aus der Ferne». Unsere Favoriten bei den Appetizern: Falafel mit Zaziki und Hummus, Chäschüechli und Ingwer-Rüebli-Bällchen mit flüssigem Kern. Unsere Lieblinge bei den leichten Vorspeisen: der Wurzelgemüsesalat mit Meerrettich, Pumpernickel-Erde und Randenessenz, das Jakobsmuscheltatar mit Gemüse-Couscous und Kalamansi-Sud sowie die Kräutersuppe mit gebeiztem Rindsfilet, pulverisiertem Spinat und Thurgauer Rapskörnern für den Biss! Vorzüglich auch die Parmesan-Suppe auf Riesling-Basis mit Arancini-Zwiebeln, ein echter Wurf die Bouillabaisse.

Fisch ist hier sowieso eine Bank: Kross gebratener Zander auf mediterranem Artischockenrisotto für Vegetarier oder Zander mit Sauerkraut, Specksauce und Bratkartoffelschaum. Wie in Italien kam der Safranrisotto mit Krustentierschaum und Meeresfrüchten auf den Tisch und auch die vegetarischen Sellerie-Ravioli überzeugten: ein handwerkliches Kunstwerk aus gekochten Selleriestreifen, gerösteten Nüssen, Stangenselleriecreme und Bio-Frischkäse aus dem appenzellischen Gais. Im Hauptgang setzten wir auf einen alten Bekannten, auf die Variation vom Ribelmaishuhn mit Pastinaken: mit Kräutern gefüllte und mit Kartoffel-Spaghetti umwickelte Brust, exzellente Ravioli und eine frittierte Praline aus dem geschmorten Schenkel. Wunderbar leicht war das Dessert, eine Apfel-Rosinen-Joghurt-Kreation. Lleshis Pralinen rundeten schliesslich ein brillantes Essen ab.

Quelle: GaultMillau

Von Jürg Ackermann
Tagblatt – 8. August 2020

«Ich habe das Fleisch in den Ofen geschoben», sagt Agron Lleshi und schaut zu seinen Mitarbeitern. «Und Tisch 3 hat zur Vorspeise den Pulpo-Brotsalat mit Rucola bestellt.» Lleshi, der 34-jährige Gastgeber im St.Galler «Jägerhof», ist der Dirigent in der Küche, doch laute Kommandos braucht er keine. Nur kurz hingeworfene Bemerkungen, die alles in Gang setzen.
Dort wird eine Sauce gemixt, hier ein Teller sorgfältig assortiert. Es dampft und gart. Und wir am Küchentisch bekommen alles mit. Es ist ein bisschen wie im Theater oder im Konzert in der ersten Reihe, wo man den Künstlern während des Auftritts von ganz nah zusehen kann. Das dreiköpfige Team, das an diesem Abend an den Herdplatten steht, scheint eingespielt, jeder Handgriff sitzt.

Den Küchentisch mag Lleshi besonders. Das Konzept, dass Gäste (nach Reservation und zu einem speziellen Preis) im Herz des Restaurants essen und den Köchen wortwörtlich in die Töpfe schauen können, passt zu ihm. Manchmal kommen Freunde vorbei, die er schon lange nicht mehr gesehen hat und die ihm bei der Arbeit zuzuschauen und über früher reden wollen.
Er geniesst den engen Kontakt zu seinen Gästen sichtlich, kaum eine Frage ist ihm lästig. Und davon gibt es an diesem Abend viele: Wie gewinnt er die Essenz der Frühlingszwiebel? Warum kombiniert er einen gebeizten Gin-Saibling mit Gurkensalat? Warum schmeckt die nur kurz gewärmte Jakobsmuschel so intensiv? Wie kommt man auf die Idee, eine Tomatenpannacotta mit Basilikumsorbet als «Gruss aus der Küche» oder ein «gebackenes Ei im Brotmantel» zu servieren? Wie schafft man es, stets auf diesem Niveau zu kochen?

Manchmal kommt die Inspiration in einem Schuhgeschäft
Irgendwann nach dem sechsten Gang wird klar: In der Spitzengastronomie gibt es keine Zufälle und was leicht daherkommt, ist Knochenarbeit.
Lleshi liest zur Inspiration auch einmal Kochbücher, doch 1:1 kopiere er ein Rezept nie, erzählt er. Er nimmt sie als Ausgangspunkt, verändert ein paar Komponenten und kombiniert sie zu etwas Neuem, Eigenem. Manchmal kommt die Inspiration auch uner­wartet. Die als vierten Gang servierten Taleggio-Ravioli, die durch einen heimischen Pinot noir wunderbar abgerundet wurden, sind konstruiert wie geflochtene Schuhe, deren Ästhetik er einst in einem Geschäft entdeckte.
Der «Jägerhof» in St.Gallen ist so etwas wie das zweite Zuhause von Lleshi. Der gebürtige Kosovare und vierfache Familienvater hat hier schon die Lehre absolviert und jahrelang als Küchenchef unter seiner Vorgängerin Vreni Giger gekocht.
Vor vier Jahren übernahm er das Lokal – und legte einen der steilsten Aufstiege in der Schweizer Gastronomie hin. 2017 wurde er von Gault-Millau mit 15 Punkten ausgezeichnet, 2018 und 2019 kamen je ein weiterer Punkt dazu. Im letzten Jahr gab es zu den 17 Gault-Millau-Punkten einen Michelin-Stern. Der «Jägerhof» ist damit eines der Aushängeschilder im kulinarischen Hotspot St.Gallen. Die Stadt allein zählt zehn Lokale, die im Gault-Millau figurieren, zwei davon haben 17 Punkte und mehr.

Manchmal machen ein paar ­Tropfen Aceto den Unterschied
Doch zurück in die Küche. Eigentlich hatten wir uns vorgestellt, dass es hier laut und hektisch zugeht, ständig nach Gekochtem riecht, auch mal das Fett spritzt und geflucht wird. Doch selbst gegen Ende des Abends sieht es noch fast blitzblank aus. Und die Atmosphäre ist entspannt, obwohl das Restaurant gut besetzt ist.
Das hat mit dem eingespielten Team zu tun: Lleshi, sein Stellvertreter Stefan Wagenknecht und Chef de Service Melanie Fink habe trotz ihres jungen Alters schon viel Erfahrung in der Gastronomie. Entscheidend sind jedoch auch die eingespielten Abläufe: Speisen wie Suppen oder Pouletpralinen sind vorbereitet, der Safranrisotto zu den Meeresfrüchten zu zwei Drittel vorgekocht. Dennoch bleibt Spitzengastronomie ein hartes Business. Trotz der stolzen Preise sind die Margen klein, die Arbeitstage lang. Wer nachlässt, ist schnell weg vom Fenster. Das weiss Lleshi. Sorgen macht er sich deswegen keine. Er hält sich an die simplen Devisen und erklärt: «Man muss einfach kochen, damit die Speisen ihren Geschmack entfalten.»

Manchmal sind es ein paar Tropfen weissen Aceto, die den Kick geben, manchmal auch nur die schonungsvolle Zubereitung oder ein paar Prisen Salz oder Zucker, die dem Fleisch, dem Fisch oder dem Gemüse zu kleinen Geschmacksexplosionen im Gaumen verhelfen.
«Spitzengastronomie ist vor allem Teamwork. Wir haben uns heute Abend nicht verstellt und uns in der Küche so verhalten wie immer», sagt Lleshi zum Abschied, als wir nach dem siebten Gang (Beeren-Schoggi-Champagner- Glace) und einem über vierstündigen Erlebnisessen die Küche euphorisiert verlassen. Man glaubt es ihm.
So wie die Erkenntnis, die noch lange später gilt: So schön die Speisen anzusehen sind, am Schluss bleibt vor allem die kulinarische Erinnerung an Geschmäcker und Düfte. Wochen später sind sie noch präsent. Als stünde die Tomatenpannacotta mit Basilikumsorbet vor einem.

Was für eine tolle Auszeichnung für unser ganzes Team!“Das Restaurant Jägerhof zählt laut Hornstein-Ranking 2020-2021 zu den besten Restaurants der Schweiz.”Das Hornstein-Ranking wurde erstmals 1981 vom früheren Sternekoch und Hotelier Wolf von Hornstein (1918-2008) publiziert.
Darin werden die besten Restaurants im deutschsprachigen Raum unter die kritische Lupe genommen. Zu den vielen Bewertungskriterien zählen neben der eigentlichen Küchenleistung auch Ambiente, Service und Innovation des Angebotes.

Wie gehen Gastronomen mit der Situation nach der Lockerung der Lockdown-Massnahmen um? Wie fühlt es sich an in einem Lokal mit all den vorgeschriebenen Einschränkungen? Wir haben bei der ersten Möglichkeit einen Augenschein – und natürlich mehr – im Jägerhof in St.Gallen genommen.

Von Stefan Millius
Die Ostschweiz – 11. Mai 2020

Der Raum wirkt luftig-leicht und grosszügig. Kein Wunder, drei Tische mussten gegenüber der Normalsituation weichen. Agron Lleshi, Gastgeber im Jägerhof in St.Gallen, ausgezeichnet mit 17 Gault-Millau-Punkten und einem Michelin-Stern, heisst uns am Eingang willkommen. Er trägt eine Schutzmaske, das Personal auch; den Gästen bleibt das erspart.

Drei Wochen vor dem Lockdown erhielt Lleshi seinen Michelin-Stern. Danach sei er förmlich überrannt worden – bis er wie alle anderen Restaurants vorübergehend schliessen musste. «Der Zeitpunkt war natürlich ein bisschen tragisch», sagt der Spitzenkoch. Aber er wirkt keine Sekunde lang frustriert, im Gegenteil: Die Freude darüber, dass es jetzt wieder losgeht, ist ihm anzusehen.

Es ist Montag, der 11. Mai mittags um 12 Uhr, und die verbliebenen Tische sind ausnahmslos besetzt, alle exakt zwei Meter voneinander entfernt. Er sei sehr zufrieden mit den Reservationen, so Lleshi. Ihm kommt es nun wohl zugute, dass er überwiegend Stammgäste bei sich begrüssen kann. Und die scheinen förmlich auf den Moment gewartet zu haben.

Es ist der erste Einsatz des Personals unter den erschwerten Bedingungen, aber das ist diesem kaum anzumerken. Natürlich ist die Schutzmaske gewöhnungsbedürftig. Ansonsten aber ist die Atmosphäre gelöst, die Abläufe wirken bereits eingespielt. Zwei Tage zuvor habe sich das Team bis ins Detail auf den grossen Moment vorbereitet. «Und auch während der Schliessung haben unsere Leute immer wieder nachgefragt und Unterstützung angeboten, ich habe wirklich ein tolles Team, auf das ich mich verlassen kann», so Lleshi. Und ausnahmslos alle hätten sich darauf gefreut, dass es wieder losgeht.

Vorspeise: Riesenraviolo mit Frischkäse und Eigelb.

Das Team des Jägerhof hat die Zeit des Lockdowns für Renovationsarbeiten genutzt. Der Boden erstrahlt in neuem Glanz, die Fenstersimse wurden auf Vordermann gebracht. Und er habe als Familienvater die unerwartete Zeit mit den Kindern genossen, habe für einmal zuhause mehr gekocht und viele Stunden mit dem Nachwuchs im Wald und im Garten verbracht. Und Lleshi betätigte sich zudem als Tortenbäcker auf Bestellung, rund 20 Torten habe er bis zu den Ostern kreiert. Ganz konnte er es offenbar doch nicht lassen, Dritte zu verwöhnen.

«Für mich war immer klar, dass wir am 11. Mai wieder öffnen», sagt Lleshi. Er sei Unternehmer, er fand, er müsse das einfach in Angriff nehmen und Erfahrungen sammeln mit der neuen Situation. Einzelne Veränderungen hat er vorgenommen. Statt wie früher zwei Abendmenüs setzt er nun auf ein Menü sowie «à la carte». Damit wolle er den Besuch des Jägerhof auch den Leuten ermöglichen, die nach dieser Zeit vielleicht stärker aufs Geld achten müssen und statt eines Siebengängers einzelne Gänge geniessen wollen. Und auf die geplanten vier Wochen Sommerferien werde er auch verzichten, um die entgangenen Wochen aufzuholen.

Hauptgang: Gebratener Zander mit Diepoldsauer Spargeln.

Wir entscheiden uns für den Businesslunch, wobei wir das Desset auslassen müssen. Agron Lleshi gehört zu den Spitzenköchen, bei denen man auch wirklich satt wird. Und vielleicht muss man sich auch als Gast zuerst wieder an den Luxus mehrerer Gänge gewöhnen.

«Grossmutters Küche neu interpretiert»: So umschreibt Agron Lleshi seine Arbeit. Eine einfache, ehrliche Küche, bei der man weiss, was auf dem Teller liegt – aber mit viel Raffinesse umgesetzt. Seine ursprüngliche Positionierung und sein Konzept haben ihm die Situation wohl erleichtert, wie er selber weiss. «Es ist für uns einfacher als für viele andere Restaurants, den Abstand zwischen den Tischen einzuhalten», so Lleshi, «und wir können wirtschaftlich arbeiten, wenn unsere acht Tische besetzt sind.» Diesbezüglich sehe es gut aus, gleich nach Ankündigung der Wiedereröffnung seien Reservationen eingegangen – wohl auch dank der treuen Stammkundschaft, die über 80 Prozent der Gästeschar ausmacht. «Die Leute haben förmlich darauf gewartet, dass es wieder losgeht», ist er sich sicher.

Hauptgang: Lammnierstück auf Senfpolenta.

Für den ersten Tag nach dem Zwangsstopp habe er bei den Menüs genau so geplant wie zuvor. Einzelheiten mögen dem wiederkehrenden Gast auffallen. Beispielsweise die Pralinenauswahl, die früher auf einer grossen Platte angeboten wurde, von der man sich bedienen konnte. Das ist angesichts der Pandemie derzeit nicht möglich, die einzelnen Pralinen werden auf einem Tellerchen klassisch serviert.

Aber ansonsten ist der Jägerhof in St.Gallen vermutlich eines der Restaurants, die von ihrer Ausrichtung her am besten mit der neuen Situation umgehen können. Die Qualität der Speisen und die Ästhetik auf den Tellern ist jedenfalls mit Sicherheit nicht in Mitleidenschaft gezogen worden. Der erste Lokalbesuch, der nach Wochen der gastronomischen Zwangspause wieder möglich war, war ein Fest für die Sinne. Und es wurde deutlich, dass das Essen auswärts eben ein Erlebnis ist, das fehlt, wenn es wegfällt. Vielleicht hat uns das Ganze also im Sinn der vermehrten Wertschätzung also sogar gut getan. Aber wiederholen müssen wir den Lockdown dennoch nicht.

Pralinen zum Abschluss.

Quelle: Die Ostschweiz 

Agron Lleshi vom St.Galler «Jägerhof» ist der Neue unter den Ostschweizer Sterneköchen: «Nach dem Telefon kamen mir die Freudentränen»

TAGBLATT – 24.02.2020

Agron Lleshi vom St.Galler «Jägerhof» ist der Neue unter den Ostschweizer Sterneköchen: «Nach dem Telefon kamen mir die Freudentränen»

Er hat schon die Lehre im «Jägerhof» absolviert und nach der Ära von Vreni Giger das Restaurant übernommen: Agron Lleshi hat sich von 15 auf 17 Gault-Millau-Punkte hochgekocht und jetzt für seine Kochkunst auch noch einen Michelin-Stern erhalten.

Text: Christa Kamm-Sager

Wir gratulieren zu Ihrem Michelin-Stern! Wie haben Sie von dieser Auszeichnung erfahren – ist es tatsächlich so eine riesige Spannung wie im Film «Madame Mallory und der Duft von Curry» wunderbar gezeigt wird?

Agron Lleshi: Ich kenne diesen Film und ja, es ist wirklich sehr ähnlich. Am Freitagmittag, um 12.15 Uhr, mitten im Mittagsstress, hat das Telefon geläutet und Melanie Fink, mein Chef de Service, hat es abgenommen. Sie stürmte in die Küche, hielt mir das Telefon ganz aufgeregt hin und sagte nur «Michelin ist dran». Ich wurde dann ganz freudig am Telefon über den Stern informiert und ins Tessin eingeladen.

Ich muss gestehen, nach diesem Telefon kamen mir die Freudentränen und ich musste mich für fünf Minuten ins Büro zurückziehen.

Dann musste ich aber wieder in die Küche, wir hatten ja volles Haus. Vor meinen Mitarbeitern konnte ich die Neuigkeiten nicht verbergen, ich habe keine Geheimnisse vor ihnen und schliesslich haben alle zusammen an diesem Erfolg mitgewirkt. Sie mussten die Neuigkeit aber eisern alle für sich behalten bis Montagabend. Zum Glück war auch meine Mutter zu diesem Zeitpunkt da, für sie ist das auch ein wichtiger Moment.

Was freut Sie mehr, der 17. Gault Millau-Punkt oder jetzt der erste Stern?

Es hört einfach nicht auf mit den Auszeichnungen… Jedes Jahr ein neuer Punkt und jetzt noch dieser Stern! Schon beim 17. Punkt war ich sehr happy, der Stern ist jetzt aber noch eine ganz andere, emotionale Angelegenheit. Ich bin jetzt gerade mit meinem besten Freund Lukas Indermühle im Auto unterwegs ins Tessin an die Feier und ich kann Ihnen sagen, es ist eine sehr freudige, lustige Fahrt!

Haben Sie bewusst auf den Stern hingearbeitet – kann man das überhaupt?

Nein, bewusst haben wir nicht auf den Stern hingearbeitet. Auf die 17 Punkte schon.

Es war immer mein Ziel, dem Jägerhof wieder die 17 Punkte zurückzugeben, die er schon mal hatte. Es ist unglaublich schön, nun auch noch den Stern in den Jägerhof geholt zu haben. Es ist eine riesige Bestätigung!

Ich koche für alle gleich, ob Stammgast oder einen Fremden, der auch ein Michelin-Testesser sein könnte.

Wird man also tatsächlich geheim geprüft?

Ja, das ist so. Zu Beginn im Jägerhof habe ich immer gerätselt, wenn jemand zu uns kam, den ich nicht kannte, ob es wohl ein Tester sein könnte. Die letzten zwei Jahre habe ich mir aber keine Gedanken mehr darüber gemacht. Ich weiss aber, dass wir mehrmals getestet worden sind. Wann genau, werde ich am Montagabend wohl an der Feier im Tessin erfahren und den Bericht der Tester lesen können.

Wie feiern Sie diese Auszeichnung?

Am Montagabend werden die ausgezeichneten Köche zusammen im Tessin nach der offiziellen Feier etwas zusammensitzen und anstossen. Im Jägerhof haben wir schon am Freitagabend etwas gefeiert. Wir sind am Montagmittag losgefahren ins Tessin, es ist das erste Mal überhaupt, dass ich nicht im Jägerhof bin, obwohl er voll besetzt ist. Dank meinen superguten Mitarbeitern ist das möglich. Ich muss aber nach dem Tessin am gleichen Abend wieder zurückfahren. Am Dienstag wird im Restaurant viel los sein.

Sie waren vorher schon der beste Einzelkoch St.Gallens, was ändert dieser Stern jetzt für Sie und den Jägerhof?

Der Stern ist eine Bestätigung und eine internationale Auszeichnung. Je mehr Auszeichnungen ein Restaurant hat, desto mehr Gäste kommen. Das ist schön, ich liebe Gäste! Ich begrüsse immer alle persönlich und frage nach dem Essen nach, ob die Gäste zufrieden sind. Das Restaurant war nicht nur ein Traum von mir, sondern es ist eine Herzensangelegenheit!

Was halten Sie von den neuartigen Food-Trends wie Insekten, im Labor hergestelltes Fleisch oder der veganen Küche?

Ich halte nichts von alledem. Vegetarisch kochen ist kein Problem, da kann ich auch einen Siebengänger auf den Tisch zaubern.

Aber ich glaube nicht, dass bei mir je Insekten auf den Teller kommen werden. Wir haben so schöne und gute Produkte aus der Region, da brauche ich keine Insekten.

Es muss aber auch nicht immer nur Rindsfilet sein. Ich koche das, was ich selber auch gerne esse. Und Insekten habe ich noch nie probiert.

Welches sind Ihre weiteren Pläne für den «Jägerhof»?

Die 17 Punkte und der Stern sind jetzt mal sehr schön, die muss man ja jedes Jahr wieder bestätigen lassen. So, wie es jetzt ist, ist es gut. Ich möchte meinen «Jägerhof» behalten als Edeladresse. Ich werde mich darauf konzentrieren und nicht vergrössern.

Wir bilden hier Lehrlinge aus und haben diesen Erfolg zusammen mit den Lehrlingen geschafft, das macht mich stolz.

Ich möchte auch weiterhin meine Gäste persönlich begrüssen und für sie die Pralinen, die es zum Kaffee gibt, höchstpersönlich selber machen.