Salz & Pfeffer: Komplex geflochten
Agron Lleshi schreibt im Restaurant Jägerhof in St. Gallen fleissig an seiner eigenen Geschichte. Seine aufwendigen, aber zugänglichen Kompositionen werden jedes Jahr besser.
Geduldig und konzentriert flechtet Agron Lleshi daumenbreite Nudelbänder zu einem Karomuster. Daraus sticht er anschliessend seine stadtbekannten Ravioli und serviert diese zum Beispiel gefüllt mit einer Hechtfarce und begleitet von einem würzigen Ratatouille-Chutney. Ein wunderbar puristisches Gericht, das mehr ist, als es scheint, und seine Kraft erst im Gaumen voll entfaltet. Die Idee dazu kam dem 33-Jährigen übrigens in St. Moritz, genauer gesagt in der Bottega Veneta, als er ähnlich geflochtene Lederschuhe studierte.
«Ich wollte schon immer Koch werden», sagt Lleshi, der als Zehnjähriger aus dem Kosovo nach St. Gallen immigrierte. Im Alter von 15 heuerte er im Restaurant Jägerhof bei Vreni Giger als Lehrling an, mit 21 war er Souschef, mit 23 Küchenchef und 2016 übernahm er die Pacht des bekannten Gourmetlokals. Das erste Jahr sei nicht einfach gewesen, erinnert sich Lleshi. «Wir hatten keine Wertung und mussten uns erst einen neuen Namen schaffen.» Das ist ihm eindrücklich gelungen. Der Jägerhof läuft rund, auch dank langjährigen Mitarbeitern wie etwa Chef de Service Riad Burgmann, der seit über einem Jahrzehnt für das Wohl der Gäste sorgt.
Zuerst allerdings senkte Lleshi gleich mal die Preise. «Der Jägerhof galt als teures Restaurant, das wollte ich ändern.» Heute wählt der Gast frei aus zwei Menüs («aus der Region» und «aus der Ferne»). Das komplette Programm mit sieben Gängen kostet 155 Franken. Lleshis mittlerweile mit 16 Gault-Millau-Punkten bewertete Kompositionen sind zugänglich auf dem Teller, aber brutal aufwendig zu kochen. «Der Gast soll stets erkennen, was er isst.» Die im nahen Mörschwil gezüchtete Ribelmais-Poularde präsentiert der vierfache Vater etwa in Form eines Strudels, einer (grandiosen) Praline aus geschmortem Schenkelfleisch sowie einer mit Trüffel gespickten Brust in einer Kartoffelhülle. Auch die Patisserie sowie die eindrückliche Auswahl an Pralinen sind im Jägerhof Chefsache. «Ich habe keine Ausbildung dafür, aber ich denke, unsere Desserts und Friandises sind in den letzten drei Jahren einiges besser geworden.» Sicher ist: Der bekennende Geschirrfan («Wir haben das schönste Porzellan der Stadt») ist noch nicht fertig mit seinem Steigerungslauf: «Natürlich wollen wir irgendwann den 17. Punkt.»
Text: Tobias Hüberli – Fotos: Jürg Waldmeier
Veröffentlicht: 14.05.2019 | Aus: Salz & Pfeffer 3/2019